EURO 7 für Schiffe


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Geschrieben von Werner am 11. Oktober 2018 14:19:58:

Als Antwort auf: Bunker C geschrieben von Gary am 10. Oktober 2018 23:43:32:

Moin Gary,

es ist ja schon einiges geschrieben worden. Klar ist, das alles geht, wenn man das will oder das muß.

Kraftwerke haben nicht riesige, sondern gigantische Rauchgasleitungen, wo man in den 80ern gesagt: das geht ja gar nicht. Und ? Es geht. Aaaber, das Kraftwerk steht fest und emittiert. Das geht nicht nur vielen Leuten auf den Geist, sondern auch immer den den selben Leuten. Wenn ich zu meinem AG fahre, habe ich den Wind gelegentlich so, daß ich auf der A4 das Kraftwerk Weisweiler riechen kann. Dies aber nur bei feuchtem Wetter und tiefhängenden Wolken. Da ist noch minimal etwas Schwefel zu schnuppern, aber die haben schon einen dollen Job gemacht damals.

Wenn Schiffe durch die Stadt fahren würden, sähe es ander aus. Tun sie aber nicht ! In Hamburg ist ab irgendeinem Elbkilometer Pflicht, auf Diesel zu fahren und dort wächst auch die Diskussion.

Reeder beziehen sich darauf, daß sie pro Tonne bewegten Materials nur sehr wenig emittieren. Und das stimmt auch. Bei Kreuzfahren sieht das anders aus, das ist Luxus und da meine ich, könnte der Fahrgast ruhig noch tiefer in die Tasche greifen. Im Swimming Pool ist kein unerlaubter Bazillus zu finden und darüber qualmts. Das ist eine Schieflage. Aber die sind dran und es wird kommen.

Internetmeldungen sind immer problematisch, weil die anderen Betreiber auch so tun, als führen sie "schon lange" auf Gas, und der normale Leser kann nicht beurteilen, was nun stimmt und was nicht. Ich war vor einem Jahr auf einer Fähre als Fahrgast, von der es im Internet hieß, sie führe auf Gas. Ein kleines Schiff mit kleinem Motor, der gar nicht mit Bunkeröl laufen kann, sondern mit Diesel. Ich habe dann gefragt nach der Gasanlage. Da kam zur Antwort: "Ja, haben wir!" Ich habe gar nicht weiter gefragt. Der Gastank war leer und das Schiff ist nur ein paar Mal für die Presse mit Gas gefahren. Infrastruktur für das Tanken etc. steht alles noch nicht und für die Betreiber ist das viel zu umständlich.

Ich kann mich hier nicht so verbreiten, wie ich vielleicht gerne würde, aber wenn Ihr mal auf diesen link geht:

https://www.hartmann-reederei.de/HGCG/aktuelles.php?nid=14

seht Ihr das Schiff, an dem ich seit 2014 mitgewirkt habe, um es auf Gas laufen zu lassen. Es gäbe eine Menge zu berichten, was technisch dort alles daneben gegangen ist, bis die Beluga endlich mal zuverlässig mit Gas die ganze Reise machen konnte. Auch jetzt werden noch sorgfältig Laufstunden, Verschleißgrenzen etc. nachgehalten, weil es immer noch nicht die Knopfdruckanlage mit Wohlfühlgarantie ist. Da ist der Verfahrensingenieur genau so gefragt, wie der Maschinenbau-Ingenieur und der Steuerungstechniker. Alleine was wir in Japan rumgehext haben, um beim Hersteller (Mitsui in Lizenz für MAN) auf dem Trockenen mit allen Möglichkeiten von Werkstatt usw. die Maschine mal für einen richtigen Leistungstest mit Verbrauchsmessungen etc. zum Laufen gebracht haben . . . . Das ist eben nicht so simpel, wie es sich auf einem bunten Schaubild darstellt.


Schiffsmaschinen haben die besten Wirkungsgrade von allen Antriebssystemen (jetzt mal nicht Brennstoffzelle oder sowas). Sobald man am Abgas usw. schraubt, läuft man Gefahr, die heilige Kuh "Efficiency" zu schlachten oder zumindest zu entweihen. Reeder zahlen zwar pro Tonne Brennstoff viel weniger als wir, aber sie haben dennoch die Brennstoffkosten als eine der Hauptbetriebskosten scharf im Auge. Sobald das schlechter wird, machen die sich richtige Sorgen.

Auf den Weltmeeren düsen die Frachter rum, wie die LKW auf den Autobahnen. Wer am billigsten anbietet, kriegt den Job. Da sind solche Dinge wie Abgas etc. vorprogrammiert. Gäbe es weltweit Bestimmungen, dann müßten alle mehr zahlen und unser chinesiches T-Shirt wird halt ein bißchen teurer.


Soviel zum wirtschaftlichen und politischen.


Zur Erdölverarbeitung :

Der entschwefelte PKW-Diesel war zu meiner Zeit, als ich Erdölverarbeitung studiert habe, schon ein Kunstgriff der Raffinerien. Leider werden solche Dinge in der Presse total falsch dargestellt. Man zeigt die Schwefelhaufen, weil die schön aussehen und dem Leser das Gefühl geben, der Schwefel sei draußen. Tatsächlich stammten die Schwefelhaufen aus der Clausanlage, einer Abgasreinigung für Industriekamine. Der entschwefelte Diesel war zwar entschwefelt nachgewiesenermaßen, aber der Schwefel wurde im Prinzip nur in das Produkt "einen tiefer" verlagert. D.h., das Bunkeröl wurde noch schwefelhaltiger. Dies zu entschwefeln ergibt keinen Sinn, weil man das Stoffgemisch dazu soweit zerlegen müßte, daß man anschließend vernünftigerweise nie wieder Bunkeröl daraus machen würde.


Ich denke, daß die sauberen Schiffe kommen werden. Ich glaube sogar, eher und nachhaltiger, als das Elektroauto. Aber einen Zeitplan dafür könnte ich nicht aufstellen. Wir haben Anfragen für Containerschiffe mit Gasbetrieb, aber das sind dann Ideen und nicht konkrete Absichten. An einem Containerschiff habe ich schon gearbeitet in der Planung. Die Werft, die das Schiff bauen wollte, war in Not (welche Werft ist das nicht ?) und hat selber vorfinanzieren wollen. War sehr interessant, die Pläne liegen auf den Festplatten, aber die Werft bekam plötzlich den Auftrag für 5 gleiche Schiffe und hat sich sofort darauf gestürzt.

(Diese Schiffe sind ohne Gasantrieb geordert)


Vielleicht bekommen wir mal eine Kaufkultur ähnlich wie beim Bio-Bauern, wo die Leute wissen wollen, woher alles kommt. Wenn der Warentransport über die Weltmeere nur auf Nachweis von Umweltfreundlichkeit geschehen kann, wird auch was passieren.

Gruß

Werner

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