Mischen impossibel? Spülen und Lüften.


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Geschrieben von Heinz am 19. Dezember 2018 23:28:22:

Als Antwort auf: Dieselbeimischung im Teillastbereich geschrieben von Thiel Jakob am 11. Dezember 2018 13:52:19:

Hi Männer,

kaum schaut man ein paar Tage nicht rein schon sind eine Menge durchaus bedenkenswerter Themen inzwischen in diesem Thread. Deswegen will ich nicht nur stänkern, sodern ein paar konkrete Erfahrungen und Sichtweisen aus der Praxis zur Diskussion stellen.

Aus meinem Blickwinkel relativieren sich einige Dinge, wenn man das von Dir, Jakob in einem vorherigen Posting (zum Thema Tankheizung) angesprochene Fahrprofil im Hinblick auf 2-Tank System anschaut.
Wenn ich es richtig erinnere sprachst du von 35 km einfache Fahrt (zur Arbeit).
Das ist schon so viel, dass es sich über Kosten und (Umwelt-)Nutzen nachzudenken lohnt und du mit einer durchdachten 2-Tank Lösung einen höheren Pöl-Anteil bei weniger Risiko für den Motor fahren kannst als bei Mischung im Tank.

Mischung im Tank heißt immer: Für den Start zu viel Pöl und kurz drauf hätte es gerne mehr sein können.

Vorab Thema Teillast aus meiner Sicht: Im Grunde ist nur der Leerlauf ein Problem. Ab sagen wir 10% der Vollast ist alles easy. Dafür eine Regelung der Mischung zu bauen, kann man machen, gibts auch, ist aber overkill und auch nicht richtig sexy bei deinem Lastprofil. Das können wir gerne noch separat genauer diskutieren. Erstmal aber generelles zum Verständnis von Mischungen in einem solchen System.

Wenn Du bei den heutigen Temperaturen deine Kühlwasser-Temperaturanzeige zu Rate ziehst und ich die Topographie rund um Bamberg unterstelle, gebe ich als Schätzung ab, wird es wohl ca 15 km Fahrt bedurfen, ehe der Thermostat den großen Kühlkreislauf frei gibt.
Kannst Du das bestätigen?

Diese Strecke braucht der Motor (so er den fit ist) sinnvoller Weise ehe er in einer Weise betriebswarm ist, wo er sicher und zuverlässig mit 100% Pöl betrieben werden kann.
Ok, also Temperatur: Der Kaltstart sollte nach meiner Überzeugung mit hohem Dieselanteil absolviert werden 90% oder mehr schaden nicht. Aber: Es spricht überhaupt nichts dagegen, ausgehend von reinem Diesel im Einspritzsystem (beim Start, d.h. nach Spülung beim Abstellen) bereits frühzeitig mit dem Zudosieren von Pöl zu beginnen, auch wenn "der Motor" noch nicht betriebswarm ist! Es geht primär ja um Brennraumtemperaturen danach um die Temperatur des Motoröl und erst nachgelagert um das Kühlwasser.

Wenn die Zugabe des Kraftstoffes ohne Rückläufe in den Tank geschieht, wird letztlich nur die Menge an Kraftstoff (in der Mischung im KGR) durch Pöl ersetzt, die über die Einspritzdüsen tatsächlich verbrannt wird, klar. Pöl und Diesel vermischen sich dann stets gleichmäßig durch den ständigen Umlauf. Es handelt sich also beim Mischungsverhältnis aus Pöl und Diesel um eine "Ladekurve" (für Elektriker) oder andersrum betrachtet um eine Diesel-"Zerfallskurve", wie z.b. beim Bierschaumzerfall - jedenfalls hat das ganze eine "Halbwertszeit" und folgt einem exponentiellem Verlauf über dem Verbrauch. Dabei spielt quantitativ neben dem Volumen des Verbrauchs der genannte "Totraum" die entscheidende Rolle und das kann sich gut um einen Liter handeln (inkl. Filter und bisschen Leitungen). Damit kannst du mal rechnen anfangen. Auch ohne rechnen kann man sagen, das Hochfahren ist eine "gutmütige" Geschichte, da geht nichts schief wegen Pöl.
Soweit so gut, zügig Umschalten auf Pöl im KGR ist also im Grunde kein Problem.
Anders sieht das mit der Rückspülung auf Diesel aus.
Wenn das auch im KGR geschieht hast du das ganze Szenario eben andersrum wieder als (Entladekurve) bzw. als Zerfallskurve mit derselben Halbwertszeit für das Mischungsverhältnis.
Was beim Hochfahren mit Pöl ein gewünschter Effekt ist, erweist sich beim Rückschalten auf Diesel als eine verdammt träge Sache, besonders in der Asymptote zum gewünschten Ende hin und nicht sehr hilfreich, wenn man den Dieselverbrauch insgesamt möglichst gering haben möchte. Ziemlich lästig auch, insbesondere wenn man nicht rechtzeitig dran gedacht hat, wann man die längere Betriebsunterbrechung machen möchte (d.h. am Ziel ist und ausreichend Diesel im System haben möchte).

Um also wieder auf einen hohen Dieselanteil zu kommen, macht es Sinn den KGR zu sperren und stattdessen den Rücklauf in den Pöltank zu schieben, während man reinen Diesel zuführt. Schieben?
Im Unterschied zum KGR kann das (je nach Einspritzsystem bzw. Modifikation dessen) tatsächlich in guter Näherung eine "Durchschieben" sein, also eine Spülung, wie man sie aus der täglichen Anschauung beim Besuch des Wasserclosetts kennt (wohl auch schon in Franken?!): Ausgehend von einer "undefinierten" Mischung mit einem Systemvolumen von vielleicht 3 Litern gibt man dort nämlich ca 5-7 Liter Frischwasser (je nach Modus "Eco" oder "Hygiene") mit ordentlich Volumenstrom in die Schüssel und beobachtet durch das Abführen der gleichen Menge aus dem System über einen vernünftig dimensionierten Rücklauf nach wenigen Sekunden einen ausreichend guten Austausch des Systeminhalts durch Frischwasser. Das abgeführte Volumen genügt zweifelsohne nicht den gleichen Ansprüchen....
Wenn man hingegen dieselben 5-7 Liter Frischwasser im beispielhaften Szenario nur mit deutlich verringertem Volumenstrom (oder im Experiment z.B. tröpfchenweise) zugeben würde, käme es wieder zu der angesprochenen exponentiellen Verdünnung des Systeminhalts und das qualitative Ergebnis nach Abschluss der Aktion (mit abermals 7 Liter Frischwasser!) wäre augenscheinlich minder befriedigend (asymptotischer Kriechfall). Es ist also in mehrlei Hinsicht flasch verstandene Sparsamkeit, bei tropfender Klospülung einfach die Spülung zu unterlassen und sich auf die kontinuierliche Verdünnung zu verlassen.


Das zeigt uns: Um bei tröpfchenweiser Zugabe von Frischwasser auf das gleiche "Mischungsverhältnis" bzw. qualitative Endergebnis im System zu kommen, wie bei der ordinärem Spülung mit Schwung ist der Wasserbedarf um ein Vielfaches höher.
Bei einer guten Systemauslegung reicht offensichtlich die 1,5 bis 2-fache Menge des Totvolumens um ein brauchbares Spülergebnis zu erhalten.

Zurück zum Pöl:
Zur Erinnerung bzw. Abschätzung, der Volumenstrom im Rücklauf eines Einspritzsystem mit Verteilerpumpe kann im Bereich von ca. 1 Liter pro Minute liegen. Er hängt hauptsächlich (aber nicht linear, wg. Überströmdrossel) von der Motordrehzahl ab, aber fast gar nicht von der Einspritzmenge. Der Rücklauf geht meist drucklos in den Tank, lässt sich also sehr einfach mit einem Messbecher bei unterschiedlichen Drehzahlen "auslitern". Für während des üblichen Fahrbetriebes Betriebes kann man diesen in guter Näherung sogar als konstant annehmen! Das ist eine wichtige Erkenntnis und spart ggf eine Menge Messtechnik.

Für unser Spülung im Pölsystem heißt das erstmal: Beim Spülen die Zufuhr komplett auf Diesel umstellen und den Rücklauf in den Pöl-Tank schicken.

Schätzt man nun das Totvolumen vernünftig ab und kennt man den Volumenstrom im Rücklauf (durch auslitern) kann man eine Zeitdauer definieren, in der das Einspritzsystem wohl ausreichend gut durchgespült wird. Je nach Anspruch kann man hier Richtung "Eco" oder Richtung "Hygiene" optimieren. Im Winter mal mit "Hygiene" starten, das Anspringverhalten beobachten und dann die Zeit ggf. verkürzen.
Ein guter Anfangswert könnte z.B. 2 Minuten sein!

Und dann?
Wenn diese Spülung nach Zeit abgelaufen ist, empfiehlt es sich durchaus wieder im KGR zu fahren, diesmal aber mit Diesel. Das verhindert v.a. Pöl-Eintrag in den Dieseltank. Wenn daraus auch eine Standheizung betrieben wird, ist diese nämlich schnell mit unseren Hygieneansprüchen für einen ausreichend guten Motorstart bei Weitem noch nicht zufrieden. Die will quasi Trinkwasserqualität in der Schüssel!

Eine Rücklauf in den Dieseltank benötigt man im Grunde überhaupt nicht. Meistens ist er aber ohnehin irgendwie vorhanden und dann schadet es auch nicht, in mit einzubinden (für den Notfall).

Die Diskussion über KGR ja/nein und das immer wieder aufgeworfene Luftproblem hast du mit einer derartigen Vorgehensweise gut erschlagen. Bei ausreichend Volumenstrom vergisst die Luft auch mal gerne, dass sie ja eigentlich leichter als Pöl und Diesel ist und damit immer obenauf sitzen muss. Du spülst sie einfach mit raus, ggf. auch durch eine ganz kürze Spülung von wenigen Sekunden nach oben genanntem Rezept.

Und zur "Luft" noch kurz: Gerade bei modernen Motoren kommt ein Gaseintrag im Einspritzsystem meist nicht aus Undichtigkeiten in der Kraftstoffzuführung sondern durch Brennraumgase. Je nach Injektortyp bzw dessen Einbau im Zylinderkopf kann der Brennraumdruck z.B. durch Verzug oder Undichtigkeiten an den Flammscheiben in den Kraftstoffrücklauf gelangen und das System "aufblasen".
Es gibt Fälle von Dieselmotoren (kein Pöl), wo sich auf diese Weise spürbar Druck um Tank aufbaut. Wenn es ganz dumm läuft kann dieser Überdruck im Tank auch minimale Kraftstoffmengen bei stehendem Motor (!) in den Brennraum zurückdrücken. Das macht sich dann quasi als Fehlzündung beim Start bemerkbar. Wen man dieses Alarmzeichen ignoriert und das Problem sich verschlimmert kann auch ein Pleuelschaden resultieren.

Das mal so zum Mischen und Spülen und Luft. Kann man ja alles ganz pragmatisch angehen ist kein Hexenwerk.

Freue mich auf weitere Diskussionen abseits von links, rechts und Troll.
Grüße
Heinz



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