Übersetzungen und das Arbeitsumfeld


[ FMSO.DE - Fahren mit Salatöl (deutsch) ]


Geschrieben von elmar_b am 09. Juli 2021 23:02:41:

Als Antwort auf: Wenn die Autos erstmal selbst fahren... geschrieben von Joachim S am 09. Juli 2021 21:44:55:

Hi,
auch ich habe mal Übersetzungen geschrieben, zwar in einem IT-Umfeld aber deswegen nicht unbedingt weniger komplex. Das Entwicklungsumfeld bestand aus Studenten multipler Nationalitäten, hauptsächlich aber mit Russisch als Muttersprache. Als ich den Job begann, bekam ich Funktionsbeschreibungen in teilweise sehr schlechtem Englisch, die ich dann in verständliches Deutsch zu verwandeln hatte. Es gab aber den großen Vorteil, dass ich nur wenige Schritte zu den Entwicklern hatte und dort jeweils radebrechend Fragen klären konnte. Mit der Übersetzerin ins Englische habe ich dann den endgültigen Text abgestimmt.
Die Firma wuchs und die Folge war, dass der betriebswirtschaftlichen Abteilung diese informelle Art und Weise der Informationsbeschaffung zu wenig durchsichtig erschien, weswegen ich für jeden Kontakt zu einem Entwickler vorher eine Kostenstelle anzulegen hatte, eine für jeden Informationsaustausch pro Entwickler. Da jede neue Kostenstelle vorher genehmigt werden musste, entstand immer ein zum Teil heftiger Zeitverzug zwischen Frage und Antwort. Insgesamt stieg mein Arbeitsaufwand auch bedingt durch den Verwaltungsaufwand und den zeitlichen Verzug zwischen Aufkommen des Fragenkomplexes und der Möglichkeit ihn zu diskutieren ins Unermessliche. Teilweise waren die Entwickler dann bereits mit anderen Aufgaben befasst und mussten sich mühsam zurückerinnern. (Dazu kamen sinnlose Diskussionen mit Menschen, denen das jeweilige Thema völlig fremd war, über die Notwendigkeit bestimmter Fragen.) Der Abgleich mit der englischen Abteilung blieb vollends auf der Strecke, denn dafür hätten auch jeweils Kostenstellen definiert und beantragt werden müssen.

Um die Arbeit halbwegs schaffen zu können, habe ich versucht, so viel wie möglich von daheim zu arbeiten. Aber selbst mit durchgearbeiteten Nächten habe ich das nicht mehr schaffen können.
To cut a long story short: Ich wurde rausgemobbt, nachdem ich das Problem geschildert und erklärt hatte, dass ich unter diesen Bedingungen die vorherige Arbeitsgeschwindigkeit nicht mal im Ansatz würde halten können. Statt meiner wurde dann ein Team von fünf Übersetzern angestellt. (Ich war Freiberufler gewesen.)

Das Gute daran war, dass ich mein Honorar noch bekommen habe. Sechs Wochen nach meinem Abgang war die Firma nämlich insolvent.

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