Die Sollwert-Änderung interessiert den D-Anteil gar nicht
Geschrieben von Werner am 23. Mai 2023 23:01:18:
Als Antwort auf: Re: Zu kompliziert gedacht? geschrieben von Joachim S am 23. Mai 2023 21:38:18:
Allerdings ändert bei einer Sollwert-Änderung der P-Anteil sofort den Y-Ausgang und der D-Anteil wirkt der beginnenden Ist-Wert-Änderung (verursacht durch die Reaktion des P-Faktors) entgegen.
Im Ergebnis sieht häufig so aus, wie ein I-Regler, der langsam den neuen Wert anfährt. Da aber der I-Anteil (in diesem Beispiel) fehlt, bleibt der Regler vor der Erreichung des Sollwertes stehen. Wenn dann ein I-Anteil draufgesetzt wird, geht unter Umständen der Kampf zwischen I und D los.
Das ist ganz böse Falle, wenn mann das nicht merkt und solch ein PID-Regler erstmal richtig verstellt ist. Mehrere Kollegen aus Tages- und Nachtschicht basteln dran rum. Da hat dann einer in einer Nacht alles so halbwegs hingekriegt und in der nächsten Nachtschicht muß er sehen, dass wieder jemand dran gedreht hat. Die Siemens-Systeme zeigen - wenn man weiß, wo es steht - welcher Anteil wie stark auf den Y-Ausgang wirkt. Das klärt so manches Mysterium auf.
Bei meinem Highlight Projekt, was vor 20 Jahren begann, haben wir an einen Kühler stufenlos regelbare E-Motoren für die Ventilatoren dran gebaut. Der Betriebsleiter wollte unbedingt noch irgendwas Drehzahl regeln und neu haben und hat mich gefragt, ob man nicht den Kompressor regeln sollte. Ich erklärte ihm, dass das keinen Sinn hat , aber wenn der Anlage was gutes tun wolle, solle er diesen einen Kühler umrüsten lassen.
Dies aus der Erkenntnis, dass die Anlage dem Tag und Nacht Rhythmus versucht zu folgen, selbst aber eine andere Schwingfrequenz hat. Ich konnte im Speicher der Daten eine Schwingfrequenz von ca. 31 Stunden ausmachen. Das führte dazu, dass manche Schichten eine enorm gut laufende Anlage hatten mit sehr hoher Verflüssigungsleistung und die nächste Schicht dann nur noch damit beschäftigt war, dass die Anlage nicht auf den Bauch fällt, also selbstständig abschaltet. Leistung hat die dann keine mehr gefahren.
Und so wurde diesem kritischen Kühler eine Regeltemperatur ständig Tag vorgegeben. Während der Nacht liefen die Propeller nur noch ganz langsam. Je nach Saison Sommer oder Winter haben wir die Sollwerte behutsam geändert, aber immer dafür gesorgt, dass gleiche Bedingungen herrschten.
Und damit wurde die Überalles-Leistung deutlich besser. Der Schwingrhythmus war nur noch minimal schwach zu erkennen, störte aber nicht den Prozeß.
Was ich damit meine ist, es hilft häufig bei komplizierten Systemen, irgendwo eine feste Grenze zu setzen oder einen Wert einfach mal konstant zu halten. Physikalisch hätte die Anlage die kühlere Nacht für höhere Leistung nutzen könne, aber regelungstechnisch ging es dadurch derart drunter und drüber, dass das keinen Sinn machte.
Gruß
Werner