Re: Zeitgemäß ?


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Geschrieben von Joachim S am 15. Januar 2020 23:05:09:

Als Antwort auf: Zeitgemäß ? geschrieben von Wehner am 15. Januar 2020 21:02:15:

Hi Karl,

das lässt sich nicht mit wenigen Worten beantworten.

Rallye auf Bestzeit mit E-Autos? Man steht in den Startlöchern. Ob es klappt, ist noch nicht raus, aber Opel möchte ernsthaft was auf die Beine stellen.

Die Fans sind (nach allem was ich in einschlägigen Foren und Kreisen mitbekomme) eher extrem "anti". Die wollen laute kreischende Motoren. Und stinken darfs auch, ein Fest für alle Sinne eben... Auch ich hab oft genug an der Strecke gestanden um zu wissen, leise Autos sind langweiliger. Selbst wenn sie perfekt bewegt werden, es fehlt was.

Ob Rallye noch zeitgemäß ist, wahrscheinlich kaum noch. Das interessiert mich aber weniger, für mich ist ein sehr passender Sport. Meine persönliche Motivation ziehe ich nicht so sehr aus Anerkennung in der Öffentlichkeit, auch nicht aus Sendungsbewusstsein, und ein Vorbild will ich auch nicht sein.

Es ist ganz was anderes. Du bereitest über Wochen und Monate ein Auto vor, studierst vielleicht nochmal die alten Onboards vom letzten Jahr, auch vielleicht die der Mitbewerber, weil da kann man immer was lernen... Wie immer wird es knapp, man könnte noch so viel tun, aber morgen geht es eben los. Jetzt muss das funktionieren, was fertig geworden ist.

Und dann fährt man mit Freunden dahin, macht das Vorgeplänkel, fährt die Strecke ab, erstellt einen Aufschrieb, und im Bauch wird es immer kribbeliger.

Dann steht man am Start der WP 1, und du weißt überhaupt nicht mehr, was das hier alles soll. Soll man da jetzt wirklich mit Vollgas auf diese scheußliche erste Kurve zurasen, wo man schon im Aufschrieb stehen hat, "Achtung, schmierig, Graben..." Es geht dir durch den Kopf, dass du nicht nur dein eigenes Leben riskierst, sondern auch das des Beifahrers, alles nur wegen einer abstrakten Zeit...

Dann ist der Helm auf, der Gurt festgezurrt, und der Starter zählt die letzten 10 Sekunden runter. Und dann fällt alles von dir ab. Die nächsten 10-20 Minuten bist du fast zurückgeworfen auf "sehr alte Gehirnschichten, ausgesprochen schnell, aber auch ausgesprochen dumm". Diese Gehirnschicht bedient das Auto. Sie agiert mehr wie ein Tier. Darüber ist noch der mehr oder weniger klare Verstand. Der hört auf den Beifahrer, und versucht dem Tier was zu erklären. Das erstaunlichste daran, das Tier hört anscheinend zu... Du kannst ihm die Zügel loslassen, oder ihm ins Ohr flüstern, dass DIE Stelle da vorn überhaupt nicht nach Heldentaten schreit.

Wenn es perfekt läuft, kannst du dich manchmal zurücklehnen, und dir selbst beim Fahren zugucken. Und du wunderst dich, dass das Tier das ganz allein so traumwandlerisch und selbstverständlich erledigt. Du überlegst nicht mehr, wo du den Bremspunkt ansetzt, wo der Einlenkpunkt ist, und wie der Boden gerade ist. Du spürst den Boden durch die Reifen, so wie du auch an den Fußsohlen spürst, ob du auf Asphalt oder auf Glatteis gehst. Du bedienst nicht mehr das Auto, das Auto ist nur noch eine Verlängerung des Körpers.

Du denkst an nichts mehr. Nicht an Hunger, Hitze, Durst, Streß, Alltag, Probleme. Es gibt nur noch die Strecke, das Auto und den Co.

Ein traumhafter Zustand, vielleicht 10 Minuten.

Dafür kann man das machen... Aber das ist nicht alles. Ein Rallyewochenende ist anstrengend, aber ist komplett anders als der Alltag. Kein Gedanke an Alltagsprobleme und sehr intensiv.

Ob das nun zeitgemäß ist? Ehrlich gesagt, es interessiert mich nicht wirklich...

Gruss Jo

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