Re: Wieviel Leben(szeit) wird zerstört durch diese Maßnahmen....


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Geschrieben von Joachim S am 30. März 2020 00:14:46:

Als Antwort auf: Wieviel Leben(szeit) wird zerstört durch diese Maßnahmen.... geschrieben von rainerZ am 29. März 2020 17:58:08:

Hi Rainer,

nun, wie willst du wirtschaftliche Schäden gegen Tote aufrechnen?

Klar, es gibt auch Tote durch wirtschaftliche Schäden. Aber es gäbe viele direkte Tote, wenn wir der Sache einfach ihren Lauf ließen.

Moralische Fragen sind in der Hinsicht knifflig. Mit Kant allein kommt man nicht weiter. Rein vernunftmäßige Abwägungen funktionieren nicht wirklich, sie widersprechen dem Menschsein.

Beispiel, bestimmt schon X-Mal durchgekaut, trotzdem recht eingänglich.

Ein Zug rollt auf eine Weiche zu. Rechts stehen zehn Malocher auf dem Gleis, die Weiche zeigt nach rechts. Links steht nur Einer. Die Malocher hören dich nicht, aber du könntest die Weiche stellen. Es wäre sicherlich vernünftig die Weiche nach Links zu stellen. Viele Menschen würden das machen, wenn man sie so fragt. Ob sie es in der Praxis auch täten???

Ich glaube, eher selten. Sie würden die Weiche lassen wie sie ist, und (wahrscheinlich) sinnlos brüllen und schreien, und zu den Arbeitern laufen, und auf ein Wunder hoffen.

Anderer Fall, etwas konstruiert, zugegeben. Trotzdem verdeutlich er das Problem.

Der Zug rollt auf 10 Malocher zu. Du stehst oben auf der Brücke. Nun kommst du auf die Idee: "Ich könnte den Dicken da am Geländer aufs Gleis werfen. Das würde den Zug bremsen, und die 10 Leute retten." Tust du aber nicht. Die meisten Menschen täten das nicht. Die, die es in der Realität tun würden, sind tendenziell Psychopathen.

Man schmeißt einfach keine unbeteiligten Leute vor einen Zug. Irgendwas in einem verbietet das, auch wenn es rechnerisch vernünftig wäre.

Auf diese Situation übertragen. Man bekämpft die Krankheit, man versucht unmittelbar Leute zu retten. Man überlegt nicht lange, ob die Rettungsaktion unterm Strich lang- oder mittelfristig vielleicht mehr oder weniger Leid verursachen könnte. Das wäre unmenschlich. Womöglich nicht im Sinne von unmenschlich grausam, sondern einfach gegen die menschliche Natur.

Davon ab, die Rechnung ist nicht so einfach. Lassen wir der Pandemie ihren Lauf, bringst du auch mittelbar jede Menge Leid über Leute. Du zwingst Ärzte zu Entscheidungen wie "der Alte da wird nicht beatmet, das Familienvater da ist wichtiger". Manch einer würde daran zerbrechen. Die Überlastung der medizinischen Versorgung hätte viele Tote zur Folge, die nicht mal an Corona sterben, sondern an Herzinfarkt oder sowas. Ärzte, Klinikpersonal allgemein wäre frustriert, und würde den Job an den Nagel hängen. Die Bevölkerung wäre unzufrieden mit ihren Politikern, die sie einfach der Wirtschaft opfern, es könnte zu Unruhen kommen. Mit gewaltigen Verwerfungen und jeder Menge Opfern.

Man kann das nicht rechnen. Und dementsprechend kann man keine Entscheidungen treffen, wie du sie andeutest. Man kann nur die Situation annehmen, und die unmittelbare Gefahr bekämpfen. Ethik ist ein schwieriges Feld, und nichts ist so klar, wie es vielleicht scheint.

Ich persönlich bin ja mit Raumschiff Enterprise aufgewachsen ;-) Was würde Captain Kirk tun, wenn er ein Besatzungsmitglied opfern müsste, um die Enterprise mit ihrer Besatzung zu retten? Klare Sache, er würde niemanden opfern. Er würde einen anderen Ausweg suchen. Und im Film auch finden... Nur so kann man zum Helden werden. Durch pures Abwägen nicht.

Gruss Jo


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