Cool und nach der Landung noch cooler


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Geschrieben von Werner am 04. März 2021 11:29:11:

Als Antwort auf: Na, ich weiß nicht... geschrieben von Joachim S am 04. März 2021 10:27:37:

Moin Jo,

der Pilot war ein Sonderfall, der bei der Erprobung der Flugzeug mit dabei war. Ein Standardpilot hätte es möglicherweise nicht so hinbekommen. Wissen wir nicht!

Aber interessant finde ich schon folgenden Umstand. In der Checkliste für das Notwassern steht am Punkt 72 oder 73, dass man die Lüftungsklappen schließt, damit kein Wasser ins Flugzeug läuft. Die Liste ist gemacht für Flüge über dem Meer, so es aus 11.000 Metern Höhe ein Weilchen dauert, bis man unten ist.

So weit waren sie aber in der Liste noch gar nicht. Dran gedacht hat keiner. Hätte würde könnte, ist ja auch alles nochmal gut gegangen. Aber wenn die Klappen zu gewesen wären, wäre der Dampfer so lange weiter geschwommen, bis alle Leute draußen gewesen wären. Also nix Badespaß im eiskalten Hudson River.

Piloten werden trainiert. Auf alle Fälle hin, die man glaubt berücksichtigen zu müssen. Sie arbeiten dann das Prozedere ab und im Hudson Fall hatte der Mann ein Prozedere gelernt, was er abgearbeitet hat. Im Simulator für die Normalausbildung war der Ausfall beider Triebwerke nicht vorgesehen. Der Heldpilot hat aber mit daran gearbeitet, den besten Eintreffwinkel ins Wasser zu ermitteln (7°?) - freilich nicht in echt, sondern mit Computer und Modellen. Wäre er zu flach gekommen, hätten die Triebwerke das Flugzeug nicht nur gebremst sondern abtauchen lassen mit Schäden an der gesamten Struktur. Wäre er ganz durchgezogen erst mit dem Heck ins Wasser, dann hätte durch die Reaktion die Maschine ebenfalls einen Kopfstand ausgeführt. Er mußte gleichzeitig mit Triebwerksgondeln und Heck aufsetzen. Dabei übrigens auch schööööön gerade, damit nicht die erst eintauchende Triebwerksgondel das Flugzeug rumreißt. Das war also schon gekonnt, keine Frage.

Was der Rallyefahrer denkt und fühlt, während er mit einem Affenzahn durch die Pampa braust, weiß ich nicht. Mir wird beim Zuschauen schwindelig. Ich würde aber auch gerne mal mit einem Auto, was nicht gleich an jeder Bodenwelle hängen bleibt (so wie meins) ein bißchen flotter durch das Gelände fahren. Vielleicht würde ich das Feeling bekommen oder zumindest verstehen. Mein ehemaliger Schwipp-Schwager ist auch Rallye gefahren, er war und ist Autoverkäufer bei BMW und seine Frau ist früher sogar ab und zu als Beifahrerin mit gewesen. Ich weiß nicht, wie gut er war, hab aber gemerkt, dass er die perfekte Autobeherrschung hatte, als wir mal mit einem Sondermodell von BMW unterwegs waren.

Aber ich will darauf hinaus, dass Menschen, auch Berufspiloten, Menschen sind und so etwas wie Angst kennen. Und wenn mal was nicht so läuft, wie sie es trainiert haben, dann laufen die Reaktionen eben NICHT automatisch in Sekunden, sondern dann breitet sich ein Gefühl im Mensch aus, was diesen lähmen kann und zu Falsch- oder Nichtentscheidungen führen kann.

Im Bürostuhl kann man sich eine Menge ausdenken. Aber die Hintergründe vom Versagen sind vielfältig. Und da kann man irgendwann nur noch auf statistisches Material zurück greifen.

Ich habe jedenfalls die Erfahrung, dass Angst auch zur Panik werden kann und ich bin froh darüber, mal Betroffener gewesen zu sein. Beim Landen in ungewohnte Landerichtung und schlechtem Wetter, hat mir eine Bö das UL-Flugzeug praktisch mit einem Schlag um 90° auf die Seite gekippt und ich habe nicht gut reagiert. Die Landung sofort abgebrochen und einen zweiten Anlauf genommen. Auch der hat nicht geklappt und ich merkte, dass ich mich nicht mehr beruhigen konnte. Ich wollte nur noch runter. Ich bin dann von der falschen Seite her angeflogen, weil ich das kannte und trotz Rückenwindes besser beherrschen konnte. Es ist gut gegangen, der Fluglehrer am Boden hat mitgezittert.

Ich habe mich nach dem Flug ins Auto gesetzt, die Lehne zurück und Radio an. Habe mir zwei Stunden Zeit gelassen, bis ich nach Hause gefahren bin.

Das war Schock mit aufkommender Panik. Und ich verstehe jetzt die Fehlreaktionen von Menschen, bei denen es zu Fatalerrors gekommen ist.


Ich mag jedenfalls die Hobbypiloten. Man spricht offen über Angst und erzählt sich Fliegerlatein, wo es brenzlig wurde. Niemand zieht dann drüber her und sagt "hätteste doch . . ." jeder weiß, wie sich das anfühlt, außer vielleicht die ganz neuen.

Gruß

Werner

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