Rudolf Diesel und Pflanzenöl
Geschrieben von Ralf Hofmann am 25. Juli 2002 16:17:14:
Hallo zusammen,
nachdem ich die Biografie von Eugen Diesel über seinen Vater Rudolf gelesen habe, liegt es mir am Herzen, mit ein paar falschen Aussagen aufzuräumen.
Auf diversen Umrüster- und Pöler-HP's liest man immer wieder, daß "schon Rudolf Diesel seinen ersten Motor mit Pflanzenöl laufen lies". Leider ist das falsch (wär' auch zu schön gewesen).Es ist vielmehr folgendes richtig: R. Diesel kannte schon vor Fertigstellung seines ersten Motors (1893) die Ölförderung und den kurz zuvor erfundenen Benzinmotor. Ebenso kannte er den Gasmotor und ist natürlich mit dem Gedanken an Kohle als Energieträger Nr. 1 (Dampfmaschine) aufgewachsen. Das Ziel, das er verfolgte, war ein Motor nach dem Carnot-Prinzip, der sowohl mit gasförmigem (Hochofengas, Stadtgas u.s.w.), flüssigem (Rohöl, Petroleum u.s.w.) als auch festem (Kohlestaub) Brennstoff laufen sollte, und zwar rationeller (besserer Wirkungsgrad) als die Dampfmaschine. Fossile Energieträger waren damals die Basis aller Energie und des Fortschritts und Diesel bestens bekannt. Über Pflanzenöl hat damals als Motorentreibstoff kein Mensch gesprochen, auch Diesel nicht.
Nachdem Diesel's erster Motor in Augsburg 1893 nicht lief (Patent dazu bekam er 1892), hat er bis 1894 daran herumgebaut und verbessert. Hauptproblem war es, den Kraftstoff vernünftig gegen den hohen Kompressionsdruck in den Zylinder zu kriegen. Er blies den Kraftstoff damals mit einem Kompressor, der etwas mehr Druck brachte als im Zylinder durch die Kompression entstand, zusammen mit Luft ein. Das Resultat war zunächst so beschissen, das der erste lauffähige Motor Diesel's NUR mit BENZIN lief. Dieser Motor wurde bis 1897 ein paar mal verbessert und schließlich durch einen zweiten, verbesserten ersetzt. Dieser 2. Dieselmotor war der erste, der auch mit Petroleum lief. Wohlgemerkt, keine Rede von irgendwelchen Pflanzenölen, das hätte mit der primitiven Kraftstoffeinblasung ohnehin nicht funktioniert. Zu Diesel's Leidwesen funktionierte der Motor auch nicht mit Gas (wurde erst viel später mit dem Zündstrahlmotor realisiert) und auch nicht mit Kohlestaub (wurde ebenfalls später von einem ehemaligen Diesel-Mitarbeiter realisiert). Um den Verkauf seines Motors anzukurbeln, versuchte Diesel sich selbst im Erdölgeschäft. Er kaufte im heutigen Rußland etliche Ölquellen, um preiswert Treibstoff für seine Motoren nach Deutschland zu bringen. Das Vorhaben mißlang jedoch und kostete ihn Unsummen.
Diesel hatte zu der Zeit, in der er aktiv am Motor mitkonstruierte, immer mit der Schwierigkeit zu kämpfen, wie er den Treibstoff brauchbar (Gemischaufbereitung, Zerstäubung u.s.w.) in den Motor bekommt, weil die Hochdruckeinspritzpumpe erst Anfang des 20. Jahrhunderts von Prosper L'Orange erfunden wurde.
Der baute ab 1907 Dieselmotoren mit einer Einzeleinspritzpumpe (die Reiheneinspritzpumpe wurde übrigens 1927 von Robert Bosch erfunden und löste schnell die meisten Einzeleinspritzpumpen der verschiedenen Motorenhersteler ab) und trug dazu wesentlich zum Erfolg des Dieselmotors bei. Auch durch seine Erfindung der Vorkammer, die es zusammen mit der Einspritzpumpe ermöglichte, die Motoren kleiner und mit schnellerer Drehzahl laufen zu lassen. Das ist auch der Grund, warum Mercedes bis zuletzt die Vorkammer nutzte. Eine Firma von L'Orange (er hat bei Benz mitgearbeitet) mitsamt dem Wissen und den Patenten ging später nämlich bei der Fusion von Daimler und Benz in Daimler Benz auf. Die Wirbelkammer wurde übrigens erst 1931 von dem englischen Ingenieur Ricardo erfunden.Aber das nur nebenbei, zurück zu Diesel und seiner Zeit. Die Technik zu Zeiten seines aktiven Wirkens und Entwickelns am Dieselmotor war noch nicht reif für den Betrieb seines Motors mit Pflanzenöl. 1912, als Diesel in seinem Buch über die Entwicklung seines Motors rückblickend schrieb, daß der Motor auch mit dem Pflanzenöl aus den Kolonien laufen würde, hatte er schon längst keinen Anteil mehr an der aktiven Weiterentwicklung seines Motors, sein Patent war 1907 abgelaufen. Der Dieselmotor ist durch die Weiterentwicklung anderer (maßgeblich L'Orange) pflanzenöltauglich geworden. Diesel hat mit seiner Erkenntnis, das Pflanzenöl der Kolonien als Treibstoff zu nutzen, lediglich die Tatsache weitergedacht, das Pflanzenöl dort sowieso schon lange als Brennstoff für Lampen und anderes verwendet wurde. Aus der Notwendigkeit heraus, in den Kolonien autark sein zu können, kam dann natürlich der Gedanke, es auch in den Motor zu kippen.
Das Ganze hat leider (ich wünschte, es wäre anders) gar nichts damit zu tun, das Diesel an Umweltschutz dachte oder gar seinen Motor für Pöl konstruiert hat. Auch lief weder sein erster, noch sein zweiter oder gar dritter Motor mit Pflanzenöl. Erst als der Dieselmotor schon in der ganzen Welt produziert wurde und schon 500 PS starke Exemplare liefen, war die Technik so weit, das auch Pöl als Treibstoff akzeptabel war. Und das nur aus einem "Notfallgedanken" (irgendwo am Arsch der Welt autark zu sein) heraus. Eigentlich schade, aber so war's.Ein anderes Märchen möchte ich auch gleich beenden. Es ist ja allgemein bekannt, daß Diesel in der Nacht vom 29. zum 30. September auf einer Überfahrt nach England vom Schiff verschwand. Bis heute hält sich das Gerücht, seine Leiche sei nie gefunden worden. Allerlei dunkle Geschichten ranken sich um sein Verschwinden, das in Wirklichkeit keins war.
Etwa 10 Tage später erhielt sein Sohn die Nachricht, jemand solle zum Identifizieren zur Scheldemündung in einen Hafen kommen. Sein Sohn fuhr mit einem Freund zusammen dorthin und wurde dem Kapitän eines Küstenbootes vorgestellt, das seinen ertrunkenen Vater aus dem Ärmelkanal gefischt hatte. Die Seeleute hatten aber aus Aberglauben die Leiche wieder über Bord geworfen, nachdem sie den Inhalt der Taschen an sich genommen hatten (sie wußten zu dem Zeitpunkt noch nicht, das Diesel, der damals eine internationale Berühmtheit war, just dort in's Wasser gesprungen war). An den geborgenen persönlichen Gegenständen und mittels der Besatzung vorgelegter Bilder von Diesel konnte die Leiche eindeutig identifiziert werden. Eine sofortige Nachsuche des Schiffes in der Gegend, wo der Leichnam zuletzt trieb, blieb erfolglos.
Da nach Diesels Tod herauskam, daß die Familie völlig pleite war (Diesel's Frau dachte bis zuletzt, das ihr Vermögen bei etwa 5 Mio. liegt, damals eine irrsinnige Summe), liegt die Vermutung eines Selbstmordes sehr nahe. Das hat auch sein Sohn Eugen rückblickend geschlußfolgert, er war das letzte Mitglied der Familie Diesel, das den Vater noch lebend gesehen hat.Ist schon interessant, so eine Biographie. Ich hab' sie mir für ein paar Euro auf eBay geschossen. Eine Originalausgabe von 1937.
Jetzt habe ich natürlich Interesse an den beiden Büchern von R. Diesel selbst über seinen Motor. Das erste von 1893 über den "rationellen Wärmemotor" und das zweite von 1912/1913, in dem er rückblickend die Entstehung seines Lebenswerkes beschreibt. Hat jemand die Bücher?MfG
Ralf Hofmann