Re: Überziehst du da nicht etwas ? Etwas? Nein, masslos! (Mega-Off-Topic!)


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Geschrieben von huebi am 06. Oktober 2004 12:49:15:

Als Antwort auf: Überziehst du da nicht etwas ? geschrieben von landcruiser am 05. Oktober 2004 18:18:10:

Moin Uwe, tach zusammen.

Vor ca. 10 Jahren wollte ich am Motorrad ein kleines 80er Kennzeichen haben.
Und zwar legal.
Zusammen mit einem Freund habe ich dann auch noch einige Honda Monkey, "Kleinkraftrad bis 40 km/h", als Motorrad mit einer Hochstgeschwindigkeit von 85 km/h zugelassen und auf die Autobahn gebracht.
Das Ganze sollte natuerlich vollkommen legal und ohne Bestechung ablaufen.
TUEV kaufen kann ja jeder.
Also habe ich am Motorrad, eine Enduro Kawasaki KLR650 eine Nebelschlussleuchte eintragen lassen.
Dadurch wurde der Platz fuer's Kennzeichen auf 200 mm x 140 mm beschraenkt.
Dann zum Regierungspraesidium und die Ausnahmegenehmigung geholt.
Auf der Zulassungsstelle dann das neue Kennzeichen umstaendlich und theatralisch gesucht und in der Jackeninnentasche gefundencrazy.
"Das stempel' ich ihnen nie ab!"
"Na, dann macht's halt ihr Chef."
Dieser Chef ist einer der wenigen in Deutschland, die richtig Ahnung von dem ganzen Zulassungskram haben.
Auf seinen Mist sind die deutschen Kennzeichen fuer die Privatfahrzeuge der Natotruppen und die Aenderung dess Fahrzeugscheins bei Adressaenderung im gleichen Zulassungsbezirk durch die Meldestelle gewachsen.
Da der Aerger mit der Inkompetenz in den Zulassungsstellen langsam richtig genervt hat, musste die Ueberkeule her.
Also fix mal in der StVZO rumgelesen und festgestellt, dass "zulassungsfreie Fahrzeuge auf Antrag im normalen Zulassungsverfahren zugelassen werden koennen". Also schnell eine neue Betriebserlaubniss fuer ein zulassungsfreies "Kleinkraftrad bis 40 km/h" und eine Doppelkarte besorgt und hin zur Zulassungsstelle.
Nummer gezogen und dem Countdownzaehler zum Untergang der Zulassungsstelle zugesehen.
Bald war es dann soweit.
Die Vernichtungsschlacht kann beginnencrazy:

"Schoene guten Tach. Hiermit stelle ich einen Antrag auf Zulassung fuer mein Mokick."
"Dann fuellen sie bitte dieses Formular aus."
"Kann ich nicht. Machen sie das doch. Dann stelle ich den Antrag doch einfach zur Niederschrift."
Wenn Blicke toeten koennten, wurde ich das hier nicht mehr schreiben koennen.
Und dann DIE Erkenntnis hinter dem Tresen:
"Aber das ist ja ein Kleinkraftrad! Das koennen wir ihnen nicht zulassen."
"Na, dann moechte ich sofort ihren Chef sprechen."
Keine zwei Minuten spaeter dann beim Chef, heisst korrekter Weise, glaube ich zumindest, Amtsleiter.
Er hatte auch noch eine schicke Kollegin als Zeugin mit in sein Buero gerufen und meinte, er koennte mich jetzt ganz schnell wieder loswerden.
grins He, he. Nette Meinung, aber da hat er leider voll daneben gelegen.
"Also, ich moechte mein Mokick zulassen."
"Geht nicht, das ist zulassungsfrei."
"Stimmt. Deshalb wird es auch nach Paragraph 18 Abs. ... zugelassen."
Er fing jetzt sehr wiederwillig an, lustlos in der StVZO rumzublaettern.
Ich war ihm dabei dann behilflich und habe ihn dann die passenden Paragraphen in der richtigen Reihenfolge durchlesen lassen.
Irgendwann hat er dann doch begriffen, dass man, und wie man zulassungsfreie Fahrzeuge zulaesst.
Ist ja auch nur sein Job, und den muss man als Beamter ja wohl nicht unbedingt beherschen.
Hauptsache die Aktenlage stimmt.

Dann kamen wir zum Kennzeichen, zweireihig, wie hinten beim Kaefer aber nur ca 110 mm hoch und ca 140 mm breit.
Die genauen Masse weiss ich nicht mehr, es ist aber das Kennzeichen nach Anlage VII der StVZO.
Ich hatte mir bei den Vorbereitungen zu diesem Feldzug schon ein Kennzeichen reservieren lassen und bei einem ca 370 km entfernten Schilderdienst selber angefertigt.
Allerdings war dies ein schmales 80er Kennzeichen, 140mm x 183mm.
Also viel zu gross.
"Das Kennzeichen habe ich auch gleich mitgebracht."
"Wo haben sie den das her? Das ist ja auch viel zu gross."
"Hab' ich beim Schilderdienst in X. selber gemacht."
"Das duerfen sie doch garnicht. Das darf nur ein Schilderdienst."
"Dem sind meine Kennzeichen aber immer zu fummelig. Und deshalb muss ich die bei ihm immer selber auf der Presse zusammen legen."
"Also so geht das ja nicht. Sie brauchen unbedingt das kleine Schild."
Eine weitere Diskussion waere jetzt nur sinnlose Zeitverschwendung gewesen, also bin ich raus und habe die drei Schilderdienste abgeklappert:
"Geht nich, hamm wa nich. Wo kommen wir den da hin."
Das war so die einhellige Meinung.
Also wieder zurueck zur Amtsleiter.
"So, da bin ich wieder. Holen sie doch bitte ihre nette Kollegin wieder herein, ich brauche jetzt einen Zeugen fuer alles Weitere."
Strategisch gut vorbereiteter Volltreffer!
Das sass.
Keine Farbe mehr im Gesicht.
Aber er zuckt noch.
Als die Kollegin dann endlich da war, noch den finalen Endschlag zwinker:
"Hiermit zeige ich ihnen zur Niederschrift an, dass keiner der drei Schilderdienste hier vor Ort amtliche Kennzeichen gemaess Anlage VII, StVZO herstellen kann. Da sie als Zulassungstellenleiter diesen Schilderdiensten die amtliche Genehmigung zur Herstellung amtliche Kennzeichen erteilt haben, muss ich sie ersuchen, diese Genehmigung sofort zu wiederrufen und die Geschaefte umgehend zu schliessen."
Schweigen, tiefes ratloses Schweigen.
Er weiss ja genau, was das bedeutet.
Die Zulassungsstelle waere dann fuer mindesten einen Tag lahm gelegt.
Was fuer Aerger und Arbeit.
Und die Aktenlage laesst sich nur durch Schliessen der Geschaefte wieder in Ordnung bringen.
OK. Und jetzt den Bogen so richtig ueberspannt:
"Sollten sie meiner Aufforderung nicht sofort nachkommen, sehe ich mich gezwungen, umgehend die Staatsanwaltschaft einzuschalten."
Er hat's doch tatsaechlich geschluckt.
Angst tauchte auf seinem Gesicht auf.
Die schoenen Pansionsansprueche, das schoene warme Buero - alles geht jetzt den Bach runter...
Der Bogen war bis zur Rissbildung gespannt, also schnell wieder locker lassen:
"Aber eigendlich kann mir das ja alles egal sein. Geben sie mir einfach eine Ausnahmegenehmigung fuer das grosse Kennzeichen, das duerfen sie ja. Da Mokick soll sowieso zum Motorrad umgebaut werden, und dann brauche ich genau dieses grosse Kennzeichen. Die Schilderdienste sind mir persoenlich ja egal, das ist ihr Problem."
Was fuer eine Erleichterung!
Das Schilderdienstdesaster kommt nicht in die Akten und die Aktenlage passt wieder.
Und das alles ist nur mit einer popeligen Ausnahmegenehmigung verbunden.
Er hat dann noch das Kennzeichen fuer die Zulassungskartei kopiert und ich konnte mit meinen frischen Fahrzeugpapieren gehen.
Es haben sich in den vier Stunden, die ich dort war, im Schnitt vier Mitarbeiter mit meiner Zulassung beschaeftigt.
Ich hatte spaeter nie wieder irgendwelchen Aerger mit dieser Zulassungsstelle und wurde immer hoeflich und zuvorkommend behandelt. Auch, oder gerade mit, besonderen Wuenschen.

Spaeter hat sich dann die Bund-Laenderkonferenz mit diesen Mokickzulassungen beschaeftigt und der Bundestag hat Paragraph 18 der StVZO dahingehend ergaenzt, dass der Halter fuer so eine Zulassung nicht dem Pflichtversicherungsgesetz unterliegen darf.
Das war zwar auch vorher schon so, fiel aber, bei geschickter Aneinanderreihung der einzelnen Paragraphen der StVZO, einfach unter den Tisch.

Meine KLR650 war, so lange es sie denn noch gab, per Erlass des hessischen Ministers fuer Wirtschaft, Technologie und Verkehr, das einzige legal zugelassenen Motorrad mit 80er Kennzeichen in Hessen mit einem Tag der Erstzulassung nach ca. 1958.

Seitdem die Mokicks auf die Autobahn gekommen sind, gibt es ebenfalls einen Erlass, der zwingend vorschreibt, das Motorrader, die aus einem Kleinkraftrad oder Mofa entstanden sind, ein 80er Kennzeichen bekommen.

Ein bischen ueberzogen war das Ganze schon.
Aber ich habe damals sehr viel ueber Gesetze und ihre Anwendung und ueber den Umgang mit Behoerden gelernt.
Ich habe dabei auch jede Angst vor Behoerden verloren.
Heute ziehe ich allerdings nicht mehr in den Kampf, sondern gehe das Ganze sehr viel kooperativer an.

Fazit:
1. Lerne die Gesetze und kenne sie besser, als dein Gegenueber bei der Behoerde. Nur dann kannst du auch neue, ungewoehnliche Loesungen fuer deine Wuensche aufmachen.

2. Sorge dafuer, dass eine gute Zusammenarbeit mit dir deutlich weniger Arbeit fuer die Person bei der Behoerde ist, als wenn sich diese Person nicht mit deinem Anliegen beschaeftigt.

3. Finde vorher heraus, was dein Gegenueber fuer seine Arbeit wirklich braucht und sorge dafuer, das er alles Notwendige bekommt. Was wirklich notwendig ist, findest du mit 1. herraus.

4. Halte dich immer an die Gesetze. Wenn es hart auf hart kommt, wirst du sonst zerrissen.

5. Besondere Loesungen werden, sobald sie das erste Mal umgesetzt wurden, augenblicklich zur normalen Loesung.

6. Die Personen, die die Gesetze durchfuehren, kennen genau diese Gesetze am wenigsten. (Sonst haetten die ja auch das Mockick sofort ganz normal zulassen koennen.)

7. Beamte verfallen in einen ungewoehlichen Aktionismuss, wenn die Aktenlage nicht stimmt. Stimmt die Aktenlage wieder, kehrt auch wieder die normale Lethargie ein. Also immer schoen die Aktenlage offen lassen, dann tut sich auch was. Dabei aber unbedingt 1. beachten, damit sich auch die gewuenschten Ergebnisse einstellen.


Viel Spass mit den Behoerden,
huebi


P.S.: Ich freue mich schon auf Montag, dann werde ich, zumindest schon mal verwaltungsrechtlich, Poelmulti. crazy

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