Re: Wie sieht denn solch ein Steuerungskonzept aus?


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Geschrieben von Joachim S am 15. August 2020 17:51:37:

Als Antwort auf: Re: Wie sieht denn solch ein Steuerungskonzept aus? geschrieben von Werner am 14. August 2020 19:12:38:

Hi Werner,


>> 1. wie groß muß ich mir ein Steuerungsprogramm für einen Roboter vorstellen? kB MB GB TB (???)

Die laufende Exe-Datei hat ein paar MB... Wenn man ehrlich ist, ist die Steuerung VIEL weniger. Das ist alles Bedienung, Visualisierung etc.

Der gesamte Ordner, mit allem was wir zum Erstellen eines lauffähigen Programms brauchen, sind dann 40 MB.

Und wenn man noch Installationsklamotten des Echtzeit-Betriebssystems und ein paar Dokus und Bildchen hinzunimmt, kommen wir auf etwa 150 MB.


2. Laufen die Postioner alle mit Referenzpunkt und Zählern oder gibt es auch statische Positionsmelder, die unabhängig immer den richtigen Wert zeigen?

Unterschiedlich. Die Servos der Robbis haben keine Absolutwertgeber, müssen also referenzieren. Manche Sachen haben auch Absolutgeber. Etwa unser Palettenshuttle (Verteilwagen). Der bringt bei vielen Anlagen die leeren Paletten und holt die Vollen wieder ab. Servos verlieren keine Schritte. Solange die Steuerspannung anliegt, also niemand den Hauptschalter ausschaltet, behalten sie ihre Position. Schrittmotoren verwenden wir deswegen auch kaum. Natürlich gibt es sie auch mit Drehgeber, aber dann sind sie wieder genauso teuer wie Servos... Und vom Wirkungsgrad und der Betriebssicherheit nicht zu vergleichen. Trotzdem, hie und da sind welche verbaut, oft genug machen sie auch Ärger...

Einzelne zu positionierende Elemente haben auch mal Absolutgeber. Der einfachen Sorte dann. Stell dir vor, wir wollen einen Greifer auf ein bestimmtes Maß auseinanderfahren, um sich an den Karton anzupassen. Es kommt nicht auf einen mm an, aber auf 10 schon. Da nehmen wir auch mal einfache analoge Wegaufnehmer.

>>3. läuft eine Insel (PC mit Roboter und Peripherie) weiter, wenn der Rest die Augen schließt?

Theoretisch ja. Praktisch fehlt es den Robotern z.B. dann an Paletten, wenn der Palettentransport die Augen schließt...

Der Ausfall eines Roboters kann je nach Layout durchaus kompensiert werden. Manche Konzepte sehen sogar einen Notbetrieb vor. Wir setzen etwa zwei Robbis auf ne Bodenachse, die normalerweise zwei Produktlinien abarbeiten. Es ist dann mitunter möglich, einen Robbi wegzuschieben, und der andere macht dann den Job mit. Aber das ist enormes Theater und die Ausnahme.

>>4. Gibt es einen generellen Not-Aus, oder teilsystembezogene Not-Aus-Schalter?

Bei großen Anlagen haben wir mehrere Notaus-Abschnitte. Wir handhaben das dann so, dass ein Betätigen eines Notaus-Pilzes alles abgeschaltet wird, was in der betreffenden Halle ist.

Aber man kann z.B. durch die Tür oder ein Sicherheitslichtgitter einen Teil der Anlage betreten, ohne dass alles andere stoppt. Das erfordert oft viel Detailarbeit

>>5. Wird für sicherheitsrelevante Abschnitte eine eigene Hardware benutzt?

Ja. Definitiv. Die dreht unseren Aktoren dann den Strom und die Luft ab. Auch die ist mittlerweile programmierbar. Was erstaunliche Konzepte ermöglicht, aber auch die Chance, nen Haufen Sch... zu bauen.

>>6. Wäre es nicht möglich, an mehreren Stellen Bedienpulte aufzustellen, die zentralen Zugriff erlauben ?

Im Prinzip ja. Wobei bislang ein Bedienpult kein einfaches Bedienpult ist, sondern ein Idustrie-PC mit Touchscreen. Der macht bei uns immer auch die Steuerung.

Wir haben keine Trennung von "Bedienteil" und "Steuerintelligenz". Das ist ungewöhnlich, und vielleicht sogar eine unserer größten Stärken (neben der Kompaktheit bei fast beliebigem Arbeitsbereich). Es ermöglicht teilweise sehr einfache Erweiterungen und flexibles Eingehen auf Kundenwünsche und Besonderheiten. Die SPS-Kollegen schlackern immer mit den Ohren, wenn der Kunde irgendwo einen Knopf mit irgendeiner Funktion auf dem Display haben will, und das 5 Minuten später funktioniert. Oder wie schnell udn einfach wir irgendwas Interessantes anzeigen können. Weil die Infos nicht mühsam übertragen werden müssen, sie sind einfach da.

Natürlich hat das auch Nachteile. Der größte Nachteil gegenüber klassischen SPS-Steuerungen: Wir müssen für Änderungen das Programm stoppen, compilieren und wieder starten. Die SPS-Kollegen können das laufende Programm ändern.

Zurück zur Frage, es ist wie Eingangs erklärt, durchaus möglich, die Monitore auf andere PCs oder Tablets zu spiegeln. Die können natürlich fest eingebaut sein. Bei Inbetriebnahmen rennen wir aber recht flexibel mit unseren Notebooks direkt zur Problemstelle, wenn wir wollen. Und das würde hie und da auch für die Kunden Sinn machen.

>> 7. Muß die Steuerung vom TÜV o.ä. abgenommen werden ?

Wir kleben ein CE-Zeichen drauf und unterschreiben irgendwelche Konformitätsgeschichten (ich halt mich da immer raus)...

Manch ein Kunde macht so eine Abnahme, meist mit seiner Berufsgenossenschaft, auch mal mit dem Tüv. Oder einfach seinem eigenen Sicherheitsingenieur. Manch ein Kunde denkt sich auch, "sieht gut aus, die haben mehr Ahnung als ich, wird schon passen..."

Oft werden aber auch Kleinigkeiten noch bemängelt, und dann abgestellt oder manchmal auch wegdiskutiert.

Unsere Anlagen haben ein eher überschaubare Gefahrenpotenzial. Explodieren und brennen tun sie so schnell nicht... Wichtig ist, dass die Bewegungen gestoppt werden, wenn jemand die Zelle(n) betritt. Fast noch wichtiger, dass nichts wieder losläuft, wenn einer drin ist. Elektroinstallation nach VDE und einschlägigen Vorschriften, und gut ist.

Auch so, die Roboter schwenken bei uns nicht, sie fahren ;-)

Wenn man unseren Chef auf die Palme bringen will, muss man nur sagen, das wären aber dann keine richtige Roboter ;-)

Ein paar Bildchen und Videos findest du bei Interesse auf unsere Seite.

www.roteg.de

Gruss Jo

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