Fortschritt über Grenzen


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Geschrieben von Werner am 22. Januar 2022 12:28:26:

Als Antwort auf: Der Aufkauf eines Patentes kann billiger sein, als wenn andere es benutzen geschrieben von waldi am 21. Januar 2022 15:49:20:

Moin Waldi,

da hast Du völlig Recht. Wenn einer oder mehrere Leute an eine Stelle kommen, wo sie sagen: "Wir wissen nicht, was passiert, wenn wir diese Grenze überschreiten", dann ist in der Regel die Sache zuende. Wenn dann aber jemand sagt: "Ich habe eine Ahnung und ich wage es", dann kann er damit auf die Nase fallen und niemand erfährt von seiner Grenzüberschreitung, oder er/sie macht damit einen gewaltigen Sprung, der gesellschaftlich so von Interesse ist, dass viele Leute es haben wollen.

Der gute Carl Benz hat ein Auto entwickelt, welches aus seiner Sicht nicht serienreif war. Interessierte Kunden hat er mit absichtlicher Fehlbedienung seines Fahrzeuges abgeschreckt, weil nicht in Zugzwang kommen wollte, etwas abzuliefern, was noch nicht richtig gut ist.

Seine Frau Bertha dagegen hat die Grenze überschritten, hat sich ihre Kinder geschnappt und ist mit dem Fahrzeug auf eine 70km lange Reise gegangen, mehr, als sich jemals hätte jemand vorstellen können mit solch einem Knatterding.

Unterwegs hatte sie viele Pannen, brauchte neue Bremsbeläge, stand mehrmals wegen Spritmangels und mußte zu einer Apotheke laufen, um neuen zu kaufen. (Sicher wäre ein Navi ihr dabei behilflich gewesen)

Ihr Mann wußte nichts davon, sie ist losgefahren, als er nicht da war.

So, die Grenze war überschritten. Mut und Zuversicht, aber auch technisches Verständnis waren dazu notwendig. Gleichzeitig hat sie als Mutter darauf geachtet, dass ihre Kinder nicht "unter die Räder" kamen. Bewundernswert aus meiner Sicht !!

Ein Jahr später wurde der Benz-Motorwagen dann patentiert. Es war ganz klar ein Fortschritt, der eine Revolution ausgelöst hat.

Nun aber zu den vielen Patentrittern, die sich was ausdenken und behaupten, dass es funktioniert: Das Patentamt prüft, ob eine Sache funktioniert und ob sie neu ist. Das Patentamt prüft nicht, ob die Sache sinnvoll ist. Die Funktion muß dem Patentamt nicht unter lebenen Beweis gestellt werden. Ich kann also auch etwas patentieren lassen, was es noch gar nicht gibt und was ich erst beabsichtige zu bauen. Wenn ich die Funktion "auf dem Papier" nachweise, und die Prüfer nach nachvollziehen können (und die können echt was, die Jungs, ich habe mal einen gekannt), dann genügt das.

Patent erteilt, Investoren gesucht. So läuft das meist ab.

Beim Benz-Motorwagen hat niemand gesagt "das geht nicht". Niemand hat aufzeigen können, dass eine solche Fahrt nicht möglich ist. Aber niemand hätte es gewagt. Das ist ein großer Unterschied. Selbst der Erbauer hielt das Gerät nicht für tauglich, obwohl der alle Eigenschaften mit eingebaut hat, die dem Gerät eine potentielle Fahrt ermöglichen sollte.

So, und das liegt der Hase im Pfeffer !! Heutige Patentanmeldungen sind in keiner Weise (bis auf ganz wenige Ausnahmen, z.B. im Bereich der Laser-Tachnik) Geheimnisse. Der Prüfer schaut sich das an und sagt "es widerspricht keinem physikalischen Gesetz" fertig.

Der kluge Investor schaut sich das an und versteht die Funktion, überlegt aber, was diese Konstruktion für einen Nutzen haben könnte. Und da scheiden sich sofort die Geister. Beim Benz-Motorwagen hat die überwiegende Anzahl der Menschen gesagt: "das wäre toll!"

Die Leute vom Patentamt fühlen sich eigentlich mißbraucht, aber es sind brave Beamte. Das liegt am Patentrecht, denn niemand soll über Sinn und Unsinn urteilen. Das ist die Maßgabe.

Ich weiß noch von früher, dass ein Professor eine Isolierung entwickelt und patentiert hat, was ihm bald zu teuer wurde. Die Gebühren steigen jedes Jahr. Er hat den "ganzen Kram" einer Firma überlassen, die zunächst gesagt hat "lohnt sich nicht!" Dann kam die Ölkrise und die Firma hat 14 Tage später die Produktion aufgenommen.


Wenn also der runde Motor irgendeine Eigenschaft hat, die später mal wirklich wichtig wird, dann kann der Patentinhaber sich freuen. Diese besondere Eigenschaft muß dann aber so wichtig werden, dass alle Nachteile dadurch kompensiert werden. Das ist häufig sehr unwahrscheinlich, aber eben nicht unmöglich. Und da viele Menschen zum Glückspiel neigen und ganz besonders auch Investoren, die ein bißchen Geld übrig haben, werden solche Dinge bis zu einem gewissen Maß verfolgt.

Der Spieler geht ins Casino und verliert. Er geht dann nicht wieder raus mit der Erkenntnis: "Glücksspiel funktioniert nicht" sondern er setzt nochmal in der Hoffnung, den Verlust wieder zu kompensieren. Irgendwann geht er wieder raus, hat Geld verloren und seinen Spaß gehabt. Was ist daran schlimm? Tolle Atmosphäre, tolle Mädels, tolle Getränke, spannendes Gefühl.

Viele Investoren denken genau so. Und deshalb MUSS ein Investor in einer ganz bestimmten Art hofiert werden. Das ist für ihn Lebensgefühl. Da ist die Erfindung, die muß gut aussehen, da sind die Mädels, da ist der Sekt. Wenn der Erfinder keine Mädels hat, sollte er sich tunlichst welche besorgen. Es gibt Agenturen für sowas.

Wenn dann Schmu gemacht wird, ist der Investor sauer und strengt evtl. eine Klage an. Wenn es aber in seinem Sinne zugeht und doch nicht funktioniert, dann ist das halt so. Mit dem nächsten Geld geht es dann in eine andere Spielbank.


Mein neuer Kunde ist tatsächlich im Besitz von 600 Patenten. Ich habe es erst nicht geglaubt und dann den Namen gegoogelt - den ich jetzt allerdings hier nicht nenne. Es stimmt, er hat 600 Patente !

So, und nun baue ich als braver wissenschaftlicher Handwerker für ihn die Peripherie für seine neue Anlage. Ich denke schon, dass sie funktionieren wird. Aber ob sie gut ist oder nicht, das vermag ich nicht zu beurteilen. Da bin ich selbst gespannt.

(und nebenbei auch ganz froh, dass ich das Verfahren nicht mache)

Gruß

Werner

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