Hyperoverdrive


[ FMSO.DE - Fahren mit Salatöl (deutsch) ]


Geschrieben von Obi am 16. Januar 2023 03:24:04:

Als Antwort auf: Das ist was anderes geschrieben von Werner am 10. Januar 2023 14:23:50:

Hallo Werner und Waldi,
was die multiple-Overdrive-Getriebe angeht, kann ich schnell zur Klärung beitragen. Als Overdrive wird generell eine Gangstufe bezeichnet, deren Übersetzungsverhältnis <1 ist, der Getriebeeingang also mit kleinerer Drehzahl läuft als der Ausgang - oder eben im Sinne des englischen Worts die Getriebeausgangsdrehzahl über der Eingangsdrehzahl liegt.

Im Getriebe der von Dir, Werner, erwähnten Corvette waren das der 5. und der 6. Gang. Der 4. Gang war direkt übersetzt. In diesem Sinne wurde hier (und wenn ich die Daten aus meinem Computeroldie "The Need for Speed" von 1994 ansehe auch im Dodge Viper) ein Double-Overdrive-Getriebe aus dem Hause ZF verbaut.
Solch eine Auslegung kommt natürlich nicht aus dem hohlen Bauch.
Wenn man eine bestimmte Spreizung abdecken möchte, muss man im 1. Gang das Eingangsdrehmoment entsprechend vervielfältigen, sofern man denn den größten Gang direkt übersetzen möchte. Das ergibt allerdings eine entsprechend wuchtige Ausgangsstufe.
Wenn man dagegen mit den möglichen Lagerdrehzahlen des Getriebeausgangs hinkommt, übersetzt man eben den gtößten oder im hier genannten Beispiel des ZF-Getriebes die obersten 2 Gangstufen ins Schnelle.
Letzten Endes kann man Bauteile kleiner dimensionieren und Material sparen, wenn man das Motordrehmoment bei einer vorgegebenen Spreizung von von mir aus 8,6 (Das hatte ein ZF-6-gang-Getriebe für einen MAN-LKW) im 1. Gang nicht um den Faktor 8,5 vervielfältigt, sondern nur um den Faktor 6,74 und dafür im größten Gang die Lager an der Obergrenze ihrer Drehzahlfestigkeit betreibt. Der 6. Gang im Getriebe des MAN LE9.180 ist z.B. dann im Verhältnis 0,79 übersetzt (5. Gang direkt).

Die Corvette und der Dodge Viper kamen mit einem 5. Gang 0,82 und einem 6. Gang 0,66 (hier weichen in dem Rennspiel die Dezimalbrüche mit 0,66 und 0,67 scheinbar ab, was wahrscheinlich nur einem Rundungsfehler geschuldet ist) daher.
Die tatsächliche Endübersetzung zur Erzeugung der zur Beschleunigung nötigen Zugkraft wurde dann eben über die Achsantriebsübersetzung und die Reifengröße abgestimmt.

Bei meinem Projekt war der Tod der ersten Entwürfe tatsächlich die Drehmomentfestigkeit einer Baugruppe im 1. Gang.

Jahre später habe ich mit einem weissen Blatt angefangen, und habe die Übersetzungsverhältnisse der Eingangsgruppe so gewählt, dass der 1. Gang mit 1,7 sehr lang und der 4. mit 0,65 sehr stark ins Schnelle übersetzt war, damit die Drehmomente und somit die Umfangskräfte an den Zahnrädern klein blieben.
Selbstverständlich gab es dann die böse Überraschung mit der Lagerlebensdauer. Was die Drehzahl aushielt, war von der Tragzahl her zu klein und was die nötige Tragzahl hatte, hielt die Drehzahl, die die Sekundärwelle erreichte, nicht aus.
Also noch einmal alles neu gewählt.

Das Schaltelement - die Schiebemuffe und dementsprechen die Losräder - auf die Seite der niedrigen Drehzahl zu legen ist auch sehr sinnvoll. Bei großer Spreizung kommen sonst im großen Gang die Losräder auf himelhohe Drehzahlen, womit wir wieder bei der Lagerproblematik bzgl. Drehzahlfestigkeit sind.

Fazit: Gangstufen als Overdrives auslegen kann Sinn ergeben, übertreiben darf man es aber auch nicht.

Das von Waldi erwähnte 9-Gang-Getriebe hat aller Voraussicht nach in seinen 3 Overdrive-Gängen unwesentlich andere Übersetzungen wie das 7-Gang-Getriebe, das "nur" mit 2 Overdrives aufwartet. Ebenso gehe ich stark davon aus, dass dss Übersetzungsverhältnis des kleinsten Gangs im 7-Gang-Getriebe ungefähr dem kleinsten Gang des 9-Gang-Getriebes entspricht. Für etwas anderes als zum Ziehen von Anhängern braucht man kaum Getriebe mit vielen Gangstufen. Leer, solo und in der Ebene fahren LKW mit automatisierten Schaltgetrieben (AMT für "Automated Manual Transmission") auch schon einmal im 4. oder gar 5. (Mercedes-Benz W963) von 12 Gangstufen an.
Voll beladen und am Berg kommt der 1. Gang in erster Linie als Kupplungsschoner zum Einsatz, auch wenn die Zugkraft eines größeren Gangs noch ausreichen würde.
Der Kupplungsschlupf sinkt eben vom Zeitpunkt des Schleifpunkts bis zum vollständigen Loslassen des Kupplungspedals (oder eben bis der automatische Ausrücker die Kupplung vollständig hat schließen lassen) von knapp 100% auf nahezu 0. Man kann also zeitlich gemittelt sagen, dass währdnd des Anfahrvorgangs über die Zeitspanne, die die Kupplung schleift, die halbe Motorleistung zwischen Reibbelag und Schwungrad bzw. auf der anderen Seite der Mitnehmerscheibe zwischen Reibbelag und Druckplatte verrieben wird.
In den ersten Bruchteilen einer Sekunde wird's bei den in jetzigen LKW üblichen Drehmomenten auch bei kleiner Drehzshl also erst einmal kräftig warm. Wenn die Schleifzeit der Kupplung kurz ist, steckt die Kupplung die Geschichte leicht weg.
Bei zu groß gewähltem Anfahrgang, zu schwerer Fuhre beim Anfahren am Berg oder der berühmten "Rentnerfahrweise" mit Fuß auf dem Kupplungspedal oder eben auch reichlich lang übrrsetztem 1. Gang versrbeitet man natürlich den Reibbelag sehr schnell zu stinkendem Feinstaub.

Und genau das ist auch meine Motivation, mir auf der Baulänge von möglichst nur 640mm statt 5 Vorwärtsgängen etwas zu zaubern, das bei gleicher oder etwas größerer Spreizung 8 Gangstufen ermöglicht.

Scania hat meine vor 11 Jahren bereits angedachte Idee, die Drehrichtung für Rückwärtsfahrt in der Bereichsgruppe umzukehren, im jetzt aktuellen Fernverkehrsgetriebe verwirklicht. Das Ding hat statt des in der Hauptgruppe liegenden Rückwärtsgangs jetzt einen vollwertigen, synchronisierten zusätzlichen Gang, davor die 2-Gang-Splitgruppe. Das macht dann 5 Zahnradpaare und die Direktgangkupplung, also die gleiche Baulänge wie die bisherigen
12-Gang-Getriebe. Den Platz für den alten Rückwärtsgang hat man dich gespart.
Dahinter sitzt statt des bisherigen einfachen Planetensatzes der Ravigneaux-Planetensatz, der dann 2, mit Overdrive-Funktion sogar 3 Vorwärtsgruppen und die Rückwärtsgruppe zulässt.
Ergibt dann 16, mit Overdrive 17 sinnvolle Vorwärtsgänge.
Im ersten Moment könnte man sich fragen, wozu man denn bitte 8 Rückwärtsgangstufen benötigt. Solo-Kipper, die auf Autobahnbaustellen an einer weit vom eigentlichen Entladeplatz (z.B. Einlauftrichter der Teermaschine) wenden und dann durch einen recht lsngen Schlauch rückwärts fahren müssen, werden das in Zukunft nicht mit himmelhoher Motordrehzahl in einem dem 2. Vorwärtsgang entsprechenden Rückwärtsgang, sondern eben mit einem dem 8. Vorwärtsgang entsprechenden Rückwärtsgang tun können.

Je nach dem, wie die Planetenräder des Ravigneaux-Satzes gestugt sind - und da war und bin ich bei meinen Entwürfen stark darauf bedacht, die Übersetzung rückwärts wie vorwärts betragsgleich und möglichst "nur" vorzeichenverkehrt zu machen - ergibt sich dann die Overdrive-Übersetzung.

Ich tue jetzt so, als würde die Drehzahl gegenüber dem 16. Vorwärtsgang (im hier betrachteten Scania-Getriebe) auf gut 70% abfallen. Dann läuft der Motor nicht mehr mit 1280/min, sondern eben nur noch mit lässigen 900/min.
Dafür, dass man die erlaubten 10,2m² (4m hoch, 2,55m breit) bei Cw=0,8 mit 85km/h durch die Umgebungsluft zerrt und die Rollwiderstände überwindet, langt offenbar die bei dieser Drehzahl abgegebene Leistung.

Selbstverständlich erfordert solch ein Antriebsstrang unabhängig davon, ob er nun automatisch oder von Hand geschaltet wird (letzteres ist im LKW praktisch so gut wie ausgestorben) einen Fahrer, der den Sinn dahinter versteht und sich dementsprechend an das Verhalten des Antriebsstrsngs gewöhnt.
Das ist vermutlich die gleiche nahezu aussichtslose Geschichte wie mit den Viper- und Corvette-Fahrern, die sich in ihrer ZR-1 oder etwas späteren Modellen (die ZR-1 gab es übrigens auch im 1988 erschienenen Raserspiel "Test Drive 2 - the Duel) den ewig lang übersetzten 6. Gang haben sperren lassen. Man könnte ja glauben, dass man einen Gang dann, wenn man ihn als zu lang empfindet, einfach nicht einlegt. Das überschreitet aber jetzt meinen geistigen Horizont. Der Dinn dieses ewig lang übersetzten 6. Gangs waren laut "Peter Lustig"-Sprecher in der deutschen "The Need for Speed"-Fassung übrigens Abgasvorschriften.
Einen anderen Sinn, als bei 56mph den Spritverbrauch drücken hatte dueser Gang nicht. Die Corvette lief in diesem Gang aus der Erinnerung mit ihrem 5,7l-V8 mit 1200/min die 56mph oder 90km/h, während der Dodge Viper mit dem 8l-V10 mit 1100 oder nur noch 1050/min dahinsäuselte oder blubberte.

Benutzern, die den auf Englisch "cruise control" genannten (wohl aus dem Flugzeugbereich abgeleitet und als Autopilot fehlinterpretiert) Tempomaten als reinen Geschwindigkeitsrdgler erklärt bekommen müssen, verlangt man mit solchen Sachen vermutlich schon viel zu viel ab.

VW hat den 5. Gang in den "T3"-Dieselmodellen der Modelljahre 1983 und 1984 (damals gab es als einzigen Diesel im Hecktriebler nur den Motor CS mit 37kW) mit 49/64 (0,7652) sehr lang übersetzt. Ab 1985 wurde dann auf 40/49 (0,816) geändert, weil die Kundschaft mit dem als E-Gang übersetzten Gang offenbar auch nicht zurechtkommen wollte.

Seit Handschsltung aus der Mode kommt und man Eingriffsmöglichkeiten durch den Bediener auch immer weiter einschränkt, besteht ja die Chance, dass in Zukunft einigermaßen energieeffizient gefahrdn wird.
Ob das in fernerer Zukunft doch wieder mit Verbrennern passiert, wird sich zeigen.

Gruß,
Obi

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