Schmierspalt, Viskosität und: warum es manchmal knirscht in der ESP


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Geschrieben von Werner am 01. Februar 2005 01:32:54:

Hi Leute,

sicherlich den meisten bekannt, aber trotzdem will ich die Viskosität nochmal erklären. Einige wissen es vielleicht nicht so herzuleiten.

Für Pöl finde ich in einer Tabelle 78,8 mm²/s kinematische Viskosität. Toll, jeder wirft mit der Zahl herum aber was heißt das eigentlich?

Die kinematische Viskosität ist eine "Kunstform", die aus der dynamischen Viskosität abgeleitet ist. Die Praktiker in der Verfahrenstechnik sprechen oft von Zähigkeit, wenn sie die dynamische meinen und von Viskosität, wenn die kinematische gemeint ist. Für die Begriffe lasse ich mich aber gerne schlagen.

Durch Multiplikation mit der Dichte erhalte ich die dynamische Zähigkeit, d.h., in diesem Fall einen Wert von ca. 0,07 Pas. Na jetzt aber! Immer noch nix klar? Ein Druck mal Zeit? Hä?? Ist das jetzt Zeitdruck oder was? Nein, die Einheit Pas ist sozusagen verstümmelt. Sie müßte ausgeschrieben heißen Newton pro Quadratmeter mal Meter durch Meterprosekunde.

So, jetzt hebt er ab der Werner. Auf ihn mit Gebrüll!! Doch halt, dazu ein kleiner Versuch.

Wir nehmen eine große Badewanne mit Pöl, am besten noch eine größere, sagen wir einen Swimming-Pool, der zufällig genau einen Meter Pölstand aufweist (hurra!!). Dann legen wir auf diese Pöloberfläche eine leichte Platte von einem Quadratmeter Größe. Dann schieben wir diese Platte mit einem Meter pro Sekunde spazieren und..... messen dabei die Kraft von 0,07 N. Wow! Mit sieben Gramm soll das gehen? Der spinnt, der Mann.

Stimmt! Es geht nicht. Beim Vorwärtsschieben einer solchen Platte mit einer solchen Geschwindigkeit treten hydrodynamische Widerstände auf, die die Kraft erheblich höher werden lassen.

Aber gut: dann nehmen wir jetz nur noch ein Tausendstel Meter. Der Swimming-Pool ist also leer und ein Millimeter Pöl klebt noch drin. Jetzt brauchen wir das Tausendfache an Kraft, also 70 N entsprechend 7 kg. Na? schon eher möglich. Wenn wir jetzt noch den Spalt verkleinern auf die Maße einer ESP, wird schnell klar, daß die Kräfte so richtig anwachsen werden. Vier tausendstel werden ihr gegeben, zwei auf jeder Seite des Kolbens. Wir drücken also die Platte solange auf den Schwimmbad-Boden, bis noch 2 Tausendstel dazwischen passen. 70 N (7 kg) mal 500 ist schon richtig Power. Das schiebt keiner mehr von Hand!!

Also gut, dann reduzieren wir eben die Geschwindigkeit. Macht ja auch keiner mit 1 m/s entsprechend 3,6 km/h. Wir wärs mit einem cm pro Sekunde? Jaa, dann sind die 14 kg schon nachvollziehbar.´

By the way, was macht eigentlich so ein Kolben? Nehmen wir 10 mm Durchmesser an und 2000/min Drehzahl (4000 an der Kurbelwelle), dann komme ich auf ca. 1 m/s. Oh Oooh! Und das ist noch nicht alles. Der dreht sich nicht nur, der wird auch noch von der Nockenscheibe richtig hoch geknallt.

Also Leute! Schmierspalt von 2 Tausendstel sich vorgestellt, eine plane Bahn von einem Meter Länge und nun ein Klötzchen von vielleicht 8 cm² darübergeschoben. In einer Sekunde die ganze Bahn. Und das mit zähem Pöl. Wetten, Ihr schaltet morgen alle ein wenig eher in den höheren Gang?

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Mutters Kuchenteig wehrt sich, wenn er mit dem Streichlöffel auf dem Backblech verteilt werden soll. Also Milch dazu, dann gehts. Aber nein, dann zerfließen die Kekse. Es muß so zäh bleiben. Wenn man jetzt zu eilig über den Teig streicht, wird die Scherspannung im Medium so groß, daß der Teig nicht mehr am Backblech kleben bleibt, sondern abreißt und sich ganz blöd wegschiebt. Das ist dann der Schmierfilmabriß in der Backstube nachgestellt. Beim nächsten Ausholen mit dem Löffel gibt es ein Kratzgeräusch, die Vorstufe zum Fresser. Eigentlich nur durch langsameres Streichen oder geringer Zähigkeit oder größeren Spalt zu verhindern?

Nein! Eine Komponente fehlt noch. Wie gut klebt das Zeug am Backblech? Wenn es gut klebt, kann die Sache klappen. Hier sind die Schmiermittelhersteller voll gefordert. Auch das Material ist nicht unwichtig. Vom Teflon Backblech geht es halt schneller ab, als vom Gußeisen. Je nach Vorleben einer ESP kann sich geringfügige Korrosion sogar positiv auf das Haftvermögen vom Pöl auswirken. Bekannt sind auch die Fresser bei sauber geputzten Innereien, die trocken eingebaut werden oder an denen noch ein Spürchen vom Handschweiß klebt. Das kann dann den Tod auf den ersten paar Umdrehungen bedeuten. (Kommt nicht nur bei ESPs vor, kann man auch bei anderen Sachen schaffen)

Beim Haftvermögen - man muß es leider sagen - verhält sich Diesel und besonders auch RME einfach wesentlich besser, als Pflanzenöl. Es krabbelt quasi von selbst in die Ritze und macht auch die enormen Schergeschwindigkeiten mit, die beim Betrieb auftreten.

Die Schmierleute sagen, daß eine Hin- und Herbewegung den Schmierfilmabriß zum Teil wieder rückgängig machen kann. Nichts sei so schlimm, wie die rasche Weiterbewegung. Ich bin z.B. erstaunt, was Kolbenbolzenlager können, obwohl sie nur stiefmütterlich versorgt werden. Es mag dies ein Grund sein, warum die Reihenpumpen besser mit Pöl zurecht kommen, als die Verteilerpunpen. Ich weiß es nicht. Würde ich eine ESP für Pöl bauen, so würde ich jedenfalls den Schmierspalt, sprich das Spiel, deutlich vergrößern.

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So, langer Text. Den Schmierkeil lass ich jetzt mal. Kann man auch überall nachlesen. Eins nur noch: Anfasen von Kolbenkanten bringt gar nichts. Onkel Bosch hat für die richtige Abrundung schon gesorgt. Sie liegt im Bereich der Schmierspaltgröße. Eine Vergrößerung der Fase ist unwirksam. Das Medium wird dann einfach nur vorher geschoben.

Viele Grüße

Werner

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