Re: Klimawandel


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Geschrieben von Nico am 19. Juni 2012 19:35:26:

Als Antwort auf: Re: Klimawandel geschrieben von radixdelta am 19. Juni 2012 15:20:27:

Moin Björn,

da bin ich ja mal froh, dass ich etwas an Wissen zurückgeben kann - bei Autos bin ich sicher nicht so flott wie ihr. Du machst in Deinem Text einige falsche Aussagen und triffst (offensichtlich unwissend) einige ethisch höchst fragliche Verallgemeinerungen.
Eingangs: Freilich ist es einfach und auch angenehm, den Klimawandel nicht mehr zu zitieren, ihn zu akzeptieren. Es gibt aber gute Gründe dafür, genau das nicht zu tun und sich der Thematik zu stellen.
Zuerst aber mal zu Deiner Idee den Kohlenstoff in Holz zu speichern. Darin sind in der Tat gewisse, aber wesentlich geringere Potentiale als von dir vermutet vorhanden. Diese liegen beispielsweise in der (Holz-)Produktverlängerung. Sicherlich könnte man auch einiges an CO2 durch Wieder(!)aufforstung speichern. Dazu folgendes: Die Waldfläche der Mitteleuropäischen Länder hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen und es wird aus diversen Gründen - meist naturschutzfachlicher Natur - gegen diese Sukzession gearbeitet. Etwa 30% Ds ist Wald. De facto wird der Wald global gesehen gerodet, weil andere Nutzungsformen diesen Ländern mehr versprechen. Du müsstest also in deine "Berechnung" noch die Opportunitätskosten verrechnen. Leider ist es mit dem Aufforsten und der CO2-Speicherung dann immer noch nicht getan. Du müsstest nämlich noch die Albedo (Rückstrahleffekte von Oberflächen, die sehr unterschiedlich sein können) verrechnen, was Du nicht schaffen wirst. Tatsächlich ist die Albedo eines Waldes ungünstig im Vergleich zu anderen Oberflächen! Das musst Du also von der vermeintlichen Speicherwirkung abziehen. Zu all den Schwierigkeiten kommt, dass der Wald nur dann eine Senke ist, wenn er nicht über seinen Zenit kommt. Richtig ist, dass auch Aufforstungsprogramme ein Teil der Lösung unserer Probleme sein können/müssen, aber keinesfalls die alleinige Stellschrauben sein werden können! SO einfach ist das leider nicht. Derzeit sind Wälder durch deren Rodung global gesehen enorme Quellen (1/4 der CO2-Erhöhung und nicht der "größte Teil!"). Die mitteleuropäischen und borealen WÄlder sind hinsichtlich ihrer CO2-Bilanz ausgeglichen und haben keine Speicherpotentiale. Ebenso alle Primärwälder.
Was ich Dir damit sagen will: Solche Modellrechnungen sind höchst komplex. Da solltest Du die Finger von lassen, um nicht auf falsche Schlussfolgerungen zu kommen - man kann mit diesen auch leicht andere "überzeugen". Du kennst das sicher vom Schrauben... Manche Leute kennen sich wirklich aus und ihre Meinung ist viel wert, andere glauben das und reden viel, wissen es aber eigentlich nicht genau. Zugehört wird oft beiden...

Zu Deinem Appell den KLimawandel zu akzeptieren: Richtig ist, dass es in der Erdgeschichte - auch der jüngeren - viele Schwankungen gab. Der entscheidende Unterschied ist, dass JETZT sehr viele Menschen auf der Erde leben. Dieser Einwand ist also völlig am eigentlichen Problem vorbeiargumentiert. 50% der Menschen leben derzeit an Küsten. Sie werden durch einen steigenden Meeresspiegel gefährdet. Und ich spreche von ihrem Leben, das auf dem Spiel steht. Ebenso geht es Völkern im Sahelgürtel oder der Wüste Gobi, die kein Wasser mehr sehen, Hungernöte erleiden. Ganze Inseln verschwinden, Dürren, Stürme, Hagel, Waldbrand, invasive Insektenarten, Krankheiten, ... Das alles ist vom Klima abhängig. Ob der Mensch in der Lage ist, sein Verhalten zu ändern, ist die eine Sache. Was Du da schreibst, ist aber eine Legitimierung, dass Menschen in ihrer Existenz gefährdet werden (leider ist das Leid anderer so fern). Das alles spielt sich in einem Rekordtempo ab, was auch erdgeschichtlich so nicht erreicht wurde. Das ist der zweite Punkt der deinen Einwand widerlegt. Vom Klimawandel sind auch alle anderen Lebewesen betroffen. Meiner Meinung nach ist zwar nicht jeder ein Revolutionär, aber jeder sollte sich hinterfragen und jeder sollte es ertragen, dass man über den Klimawandel diskutiert. Alles andere ist moralisch richtig bescheiden. Daher auch meine klaren Worte.

Ich kann Dir auch erklären, warum auf Ferrosolen (so heißen die Böden, auf denen viele Tropenwälder wachsen), keine Aufforstung möglich ist. Die Böden sind sehr schlechte Nährstoffspeicher, weil ihre Verwitterung viel weiter vorangeschritten ist als bei unseren Böden. Letztere wurden nämlich in der Eiszeit wegerodiert. Da die tropischen Böden kaum eine Speicherfunktion für Nährstoffe bilden können, rauschen bei nacktem Boden und Niederschlag die verbliebenen Nährstoffe einfach Richtung Grundwasser und fließen ins Meer. Das was aus der Luft nachkommt, fließt auch weg. Warum kann ein Regenwald dann überhaupt leben? Weil die Bäume mit Mykorrhiza-Pilzen (wie überall auf der Welt) eine Symbiose eingehen. Sie wurzeln außerdem extrem flach. Es entsteht ein Kreislauf aus dem Laub, das auf den Boden fällt. Dessen Nährstoffe werden durch Mikroorganismen freigesetzt und gelangen in den Boden, werden SOFORT von den Pilzen aufgenommen und an die Bäume weitergegeben, die wieder Laub produzieren... Das was dennoch durchfließt ist so wenig, dass es durch den Nährstoffeintrag über die Luft ausgeglichen werden kann. Ist der Boden einmal nackt- der Wald also gerodet - sind alle Nährstoffe weg. Selbst bei Düngung sind die Böden recht schnell völlig unfruchtbar, das auch weil die Mykorrhiza-Pilze ohne die Bäume das Weite suchen. Ist fast ein bisschen so wie in Avatar :)


Beste Grüße
Nico

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